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| 28.02.2022

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"Sprachliche Missverständnisse am Arbeitsplatz; damit sind wir tagtäglich konfrontiert"

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Bitte aufgepasst!

Von Joana Iser da Silva

Integrationsprozesse in Unternehmen scheitern leider sehr oft. Das muss sich ändern. Doch was genau ist das Problem? Und wie sieht das ideale Integrationsprogramm in Unternehmen aus? In einem Interview mit Frau Haubenreißer von der Lux Impuls GmbH äußern sich die zwei Sprachexperten Anja Taschner und Stefan Iser dazu. 

 

Unsere Arbeitswelt wird immer globaler. Immer mehr Menschen gehen ins Ausland, um zu arbeiten. Neben der Sprache stellen vor allem kulturelle Unterschiede eine Herausforderung für das Arbeiten im Ausland dar, was sich auch negativ auf die berufliche Effizienz auswirken kann. Insbesondere in der Vorbereitung auf die Auslandsaufenthalte kann dem vorgebeugt werden. 

Doch welche Komponenten gehören zu einer idealen interkulturellen Vorbereitung und wie sollte ein Integrationsprogramm für Unternehmen aussehen, die Mitarbeiter ins Ausland senden oder aus dem Ausland aufnehmen? Und welche sind die Faktoren für eine frühzeitige Beendigung von Mobilitäten? Welche Meinungen, Ängste, Hoffnungen und Erfahrungen der verschiedenen Zielgruppen spielen dabei eine Rolle?  

Die Lux Impuls GmbH suchte im Rahmen des europäischen Projektes „HIP - Holistic Intercultural Preparation“, das von der Europäischen Union gefördert wird, Expats und Personaler aus Unternehmen, die bereit waren rund 15 Minuten ihrer Zeit zu opfern, um an einer Umfrage zum Thema Expats teilzunehmen. Dabei handelte es sich um einen kurzen Online-Fragebogen, der im Rahmen eines europäischen Projekts erstellt wurde. 

In einem Interview mit Frau Haubenreißer von der Lux Impuls GmbH äußern sich Anja Taschner (Fachsprachtrainerin für Medizin und Zahnmedizin) und Stefan Iser (Spezialtrainer für Deutsch und Geschäftsführer von ISEU Language for Business GmbH) zu den zentralen Fragen dieses Projekts.  

 

 H: Frau Taschner, Herr Iser, Sie sind durch unseren Fragebogen, den wir im Rahmen des europäischen Projektes „HIP - Holistic Intercultural Preparation“, das von der Europäischen Union gefördert wird, auf uns aufmerksam geworden. Der Fragebogen richtete sich eigentlich an Unternehmen, die mit ausländischen Mitarbeitern arbeiten sowie an die Mitarbeiter - auch Expats genannt - selbst. Sie haben sich als Anbieter von Sprachtrainings ebenso angesprochen gefühlt. Es freut mich sehr, dass das Projekt bei Ihnen Anklang findet. Mich würde interessieren, warum. 

T: Wie wir wohl richtig verstanden haben, geht es bei diesem Projekt darum, wie Mitarbeiter auf die Entsendung ins Ausland vorbereitet werden bzw. die Integration von Mitarbeitern aus dem Ausland gelingt.  Wir kennen als Anbieter von Sprachtrainings natürlich beide Seiten ziemlich gut und sehen uns hier in einer bedeutenden Mittlerrolle. Sie fragen ja in ihrem Fragebogen beispielsweise danach, welche Maßnahmen für die ankommenden Expats sinnvoll sind und welche Maßnahmen eher schlecht bis gar nicht greifen. 

H: Welche Rolle spielen Sie als Sprachdienstleister in dem Entsendungs- und Integrationsprozess von Expats? 

I: Wir haben mit beidem zu tun; wir bedienen einerseits Unternehmen, die Mitarbeiter entsenden - wie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zum Beispiel, und andererseits auch Unternehmen, die Expats hier in Deutschland beschäftigen wie bspw. die EZB oder andere in Frankfurt ansässige Banken oder auch Kliniken. Für uns stellt sich natürlich die Frage in dem gesamten Prozess, wie wir als Sprachschule dazu beitragen können, diese Eingliederungsprozesse zu verbessern. Integrationsprozesse scheitern in der Tat leider sehr oft und von unserer Seite könnten wir schon sehr viel mehr zu einer positiven Gestaltung im Sinne aller beitragen. 

H: Welche Kriterien spielen denn für Sie bei der Entsendung der Mitarbeiter eine zentrale Rolle? 

I: Fachliches Wissen und Integration sind zwei ganz wichtige Kriterien. Fachliches Wissen soll ja nun oft auch in einer Zielsprache vermittelt werden können. Ich führe hier mal das Beispiel eines GIZ-Mitarbeiters an, der als Ingenieur in ein französischsprachiges afrikanisches Land entsendet wird, um dort ein Energieprojekt zu verwirklichen. Er muss den entsprechenden Fachwortschatz natürlich dann auch auf Französisch kommunizieren können, das ist das eine.  Zum anderen nimmt er oder sie meistens noch die Familie mit, d.h., dass für die Integration vor Ort gesorgt werden muss. 

Und das Gleiche findet natürlich auch in der umgekehrten Richtung statt. Die Familien, die mit den Expats hierherkommen, müssen sich ja auch irgendwie integrieren. Folgerichtig fällt der sprachlichen oder auch interkulturellen Vorbereitung eine Schlüsselrolle bei den vorbereitenden Maßnahmen zu. 

H: Welche sich daraus ableitenden Maßnahmen fallen denn genau in Ihren Kompetenzbereich? 

I: Unsere Aufgabe ist es, dass wir qualitativ hochwertige und vor allem auch zielführende Sprachtrainings durchführen. Ein Expat darf diese Trainings auf keinen Fall als Zeitverschwendung empfinden. Denn Zeit ist besonders für diese Menschen ein rares Gut; es muss also schnell und effizient gehen. Und die interkulturelle Sensibilisierung geht idealerweise mit dem Sprachtraining Hand in Hand. Leider wird es i.d.R. aber getrennt behandelt: Interkulturelle Vorbereitungsmaßnahmen ausschließlich im Rahmen von Seminaren und die sprachliche Vorbereitung im Sprachkurs. Ich bin fest davon überzeugt, dass man diese Trennung nicht unbedingt braucht, wenn man über interdisziplinär geschulte Fachkräfte für das Sprachtraining verfügt. 

H: Was sind denn aus Ihrer Sicht die größten Schwierigkeiten für Expats in Deutschland? 

I: Sprachliche Missverständnisse am Arbeitsplatz; damit sind wir tagtäglich konfrontiert - insbesondere bei Klinikpersonal - hier kommt es oft zu Missverständnissen, die auch unmittelbare negative Auswirkungen auf die Fach- und Patientenkommunikation haben können. 

Auch die mangelnde Integration der Familien, was oft zu einem relativ reduziertem Sozialleben führt: Expats führen ihr soziales Leben oft unter sich. sehen z.B. Fußball im Irish Pub, wo sie auf Englisch bestellen können und sprechen mit ihrem gesamten Umfeld eigentlich nur Englisch. 

H: Haben Sie denn Beispiele für gescheiterte Entsendungen und Eingliederungsprozesse? 

I: Ja, zuhauf. Es kann sein, dass Mitarbeiter sich aus den o.g. Gründen im Land nicht wohlfühlen und dann diesem wieder den Rücken kehren. Das Leben in Metropolen wie London wirkt auf viele dann doch attraktiver. Aber es müsste nicht so sein; eigentlich sollte eine qualitativ gute sprachliche Maßnahme genau diesen Schwierigkeiten entgegenhalten können.  Durch mangelnde sprachliche Integration entstehen so am Ende auch wesentlich höhere Kosten als anfangs geplant.   

H: Welche Kosten sind das Ihrer Meinung nach? 

Ich habe mir hier aus Ihrem Fragebogen mal das Stichwort "Investitionsverlust in Humankapital" notiert, das finde ich absolut zutreffend. Und nicht nur das: wenn Mitarbeiter aus Unzufriedenheit wieder abwandern oder Missverständnisse am Arbeitsplatz dazu führen, dass die Qualität der Dienstleistung eines Unternehmens - oder der Produktion - nachlässt, weil eben sprachliche Kommunikation im Unternehmen nicht gut funktionierte, dann haben alle Beteiligten eher verloren als gewonnen. 

H: Sie sprechen von "guten" sprachlichen Vorbereitungsmaßnahmen. Was sind denn für Sie die Qualitätskriterien für die sprachliche Vorbereitung der Mitarbeiter? 

I: Nachhaltigkeit ist hier definitiv als erstes zu nennen. Wenn ich als Anbieter von Sprachtraining dauerhaft eine hohe Qualität sichern möchte, dann fängt das aus Perspektive der Sprachschule mit der Personalpolitik an - mit unserer Personalpolitik. Denn ein Unternehmen muss sich ja darauf verlassen können, dass eine Sprachschule auch gleichbleibend hohe Qualität liefert. Hochqualifiziertes Personal ist also meine Kernressource - an der darf ich nicht sparen. Und das kostet schlichtweg Geld. Der Einkauf solcher Fachkräfte ist betriebswirtschaftlich gesehen der größte Kostenfaktor, allerdings eine Investition, die sich für alle Beteiligten auszahlt: Für die Lehrkräfte, für die Unternehmerkunden und für die Sprachlernenden.  

H: Können Sie erklären, in welchem Zusammenhang das mit gescheiterten Integrationsmaßnahmen steht? 

I: Sehr gerne. In diesem augenscheinlich sehr einleuchtenden Mechanismus kommt nämlich eine Problematik zum Tragen, die dann auch oft zu diesem Scheitern führt: Personalabteilungen gehen nämlich nach ganz anderen Kriterien vor als die Einkaufsabteilung eines Unternehmens. Ein Beispiel: Für HRs steht im Vordergrund: Was bringt es dem Mitarbeiter? Sie legen bei der Bewertung einer Maßnahme vor allem erst einmal inhaltliche Maßstäbe an. Der Einkäufer hingegen vergleicht bei verschiedenen Angeboten den Preis pro Lerneinheit. Aber er kann nicht beurteilen, wie viele Lerneinheiten eigentlich benötigt werden, um das gesetzte Ziel zu erreichen. Also bewertet er nur den Preis, sieht aber nicht die Gesamtheit.  Und das kann dann dazu führen, dass eine Maßnahme eben nicht so greift wie das anfangs gewünscht war. Von daher müsste die richtige Frage eigentlich lauten: Was kostet die Erreichung des Ziels? Doch hierfür müssen erst einmal KPIs geschaffen werden, anhand derer sich die Relation zwischen Qualität und Einkaufspreis gut messen lässt.  

T: Ich möchte hierzu noch ergänzen: Oftmals wird noch nicht einmal die Frage gestellt, was das Ziel eigentlich ist? 

H: Der Preis wird also in der Bewertung höher angesetzt als die Qualität., Es wird demnach auch nicht hinterfragt, was denn wirklich ein wirtschaftliches Angebot im Sinne von Nachhaltigkeit ausmacht; ein Angebot, bei dem der Preis stimmt, bei dem ich überzeugt sagen kann, der Preis ist gut für das, was mir geboten wird. Richtig? 

I: Genau. Das Unternehmen hat also nichts davon, wenn ich billigere Lehrkräfte aussuche.  

H: Und was ist Ihrer Meinung nach zu tun? 

I: Es steht und fällt mit einer guten Kommunikationsstrategie, die entsprechenden Entscheider in Unternehmen für dieses Thema zu sensibilisieren. Es ist Aufgabe der Fachabteilungen, den Einkauf davon zu überzeugen, dass eine bestimmte Maßnahme einfach notwendig ist. Und je besser die Argumentationslinie für die Fachabteilung ist, desto besser kann diese für eine bestimmte Maßnahme eintreten. Ein Interview, wie wir es gerade führen, kann ja durchaus Teil einer solchen Kommunikationsstrategie sein. Denn: Hier kann wirklich etwas verbessert werden. Und das ist nicht nur in unserem Sinne, sondern im Sinne aller Beteiligten. 

T: Ich weiß nicht, welche Zahlen Ihnen aktuell vorliegen, ich hatte mal vor geraumer Zeit gelesen, dass 30% aller Entsendungen scheitern. Wenn man sich dann mal anschaut, welche Geldsummen da im Spiel sind, dürften das sehr hohe Beträge sein. 

H: Das war auch mit ein Punkt, weshalb wir gesagt haben, dass man da sehr wohl mal genauer hinschauen sollte, woran das eigentlich liegt. Es sind ja nicht nur die Konzerne, sondern mittlerweile auch immer mehr der Mittelstand, Krankenhäuser, Pflegeheime und andere Einrichtungen, für die es inzwischen einen relativ großen Personalmarkt gibt.  

T: Die meisten Unternehmen gehen nach meiner Erfahrung davon aus, dass die ausländischen Fachkräfte in ihrem neuen Umfeld direkt anfangen können und kalkulieren gar nicht die Zeit, die für die sprachliche und interkulturelle Vorbereitung benötigt wird. Und dass diese Maßnahmen oft auch noch eine Zeit lang begleitend zur Arbeit weiterlaufen müssen.  

H: Was meinen Sie, was ist der Grund dafür? 

T: Das hat mit dem Onboarding-Prozess zu tun, bei dem man oft davon ausgeht, dass die Fachkräfte schon die Sprache lernen, bevor sie kommen, und wenn sie dann ins Land kommen, haben sie dann zwar schon noch meist ein Sprachtraining als begleitende Maßnahme; es ist insgesamt gesehen aber eher ein Learning-by-doing, während der Einarbeitungszeit der Fachkräfte; sie müssen irgendwie mitgenommen werden. Und der ganze Onboarding-Prozess läuft bei ausländischen Fachkräften meist ganz anders ab als bei einheimischen. Man muss sich dabei in allen Aspekten darauf fokussieren, wie man sie ins Team integrieren kann. Um das Beispiel Gesundheitswesen noch einmal aufzugreifen: Hier ist es ja sehr wichtig, dass ein Team sehr gut zusammenarbeiten kann - ich denke da an Intensivstationen, wo ja wirklich jeder Handgriff sitzen muss, da muss die sprachliche Kommunikation einfach top funktionieren. 

I: Ja, das ist unsere Rolle, dafür zu sorgen. Dieses Zahnrad in dem ganzen Getriebe sind praktisch wir als Sprachschule. 

T: Und es ist mehr als das. Um bei dem Beispiel Ärzte und Pflegepersonal zu bleiben: Hier wird ja über die Sprache auch die so wichtige Empathie übertragen. In anderen Branchen ist es ja oft so, dass die Mitarbeiter schon auf Englisch arbeiten und in dieser Sprache auch miteinander kommunizieren. Da kommt aber dann der Punkt mit den Familien ins Spiel. Wenn diese die Sprache nicht beherrschen, ist es schwierig, dass sie sich integrieren und folglich werden sie sich nie richtig in diesem Land zu Hause fühlen. 

I: Es gibt noch einen anderen Punkt, der mir dazu einfällt und von daher möchte ich jetzt gerne einen Bogen schlagen zur Lehrmaterialerstellung, denn auch hier gibt es Desiderate. Viele Lehrwerke zielen darauf ab, den Alltag von Integrationskursteilnehmern oder Studenten abzubilden. Der Alltag der Expats ist aber ein völlig anderer. Die haben mit Job-Center und Uni nichts zu tun. Sie kommen zu mir und wollen zum Beispiel mit mir ihren Mietvertrag auf juristischer Formulierungsebene durchgehen. Oder sie fragen mich, wie sie ihre Mitgliedschaft im Tennisclub kündigen können oder sie kommen mit einem Heil- und Kostenplan vom Zahnarzt. Und das wird in Lehrbüchern so gut wie gar nicht thematisiert. Lehrwerke werden von Expats meist als ziemlich realitätsfern empfunden - das ist eine einschlägige Erfahrung von mir. 

H: Warum erstellen Sie die Lehrwerke nicht selbst? Das ist doch durchaus ein Geschäftsfeld, das von Interesse sein könnte, passende Lehrmaterialien für Expats zu schaffen und dann einen passenden Verlag zu für ein solches Vorhaben zu finden. 

I: Ich habe tatsächlich mal damit begonnen, ein Lehrwerk für Expats in Rhein-Main zu erstellen. 

H: Warum nur auf das Rhein-Main-Gebiet bezogen?  

I: Gelingende Integration beginnt in der Region, in der man lebt. Je mehr regionale Besonderheiten ein Lehrwerk bietet, desto interessanter ist es für den Expat. Und die digitale Lehrwerkerstellung erlaubt ja quasi alles. Ein Verhaltensguide für Frankfurter Äpfelweingaststätten lässt sich jederzeit ersetzen durch einen für Münchner Biergärten.  

T: Auch hier ist die Frage: Wer bezahlt das? In den Unternehmen weiß man ja, dass es ein Regellehrwerk gibt, das für die Erreichung des definierten Lernzieles benutzt werden kann. Dass ein solches Lehrwerk aber so viele Themen enthält, die für den Expat absolut uninteressant bzw. langweilig sind, findet in der Regel keine Berücksichtigung. 

I: Es gibt also noch viel zu tun, wenn ich unser Interview mal in diesen Worten zusammenfassen darf. Die Lücken zwischen Anspruch und Realität lassen sich nur überbrücken, wenn alle Beteiligten auf gleicher Augenhöhe und regelmäßig miteinander kommunizieren, damit es zu einer gewissen interdisziplinären Einsicht führt, die letztendlich allen dient.  

H: Frau Taschner, Herr Iser, ich danke Ihnen für das Gespräch.  

Das Interview wurde live in einer Videokonferenzschaltung geführt und liegt in einer wörtlichen einfachen Transkription vor. 

Das Projekt wurde geleitet vom International Formation Center in Madrid. Daneben gehörten zum Projektkonsortium neben Lux Impuls ein weiterer Partner aus Deutschland sowie Projektpartner aus Italien und Belgien. 

 

 

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